Yōko Tawada, geboren am 23.3. 1960 in Nakano, Tokio
Seit Anfang der Neunziger Jahre begleitet mich die Literatur von Yōko Tawada. Ich lese ihre Bücher immer wieder mit neuem Blick, meist dann, wenn mein eigener Blick verstellt ist von zu viel Alltag und dem Trauern um verpasste/verpatzte Möglichkeiten.
Yōko Tawada, Tochter eines Buchhändlers und einer ihrem Kind Geschichten vom Reisen vorlesenden Mutter, wurde 1960 in Tokio geboren und studierte in Japan Literaturwissenschaft (Schwerpunkt russische Literatur). Den Traum ihrer Eltern verwirklichend reiste sie 19jährig mit der transsibirischen Eisenbahn nach Moskau und landete 1982 Deutschland, wo sie seither lebt und zweisprachige (deutsch/japanisch) Bücher veröffentlicht.
In einem Interview (1994 veröffentlicht in der Literaturzeitschrift "Edit") erzählte mir Yōko Tawada welche Befreiung von den Einengungen der Muttersprache das Schreiben in einer Fremdsprache für sie war. "Man ist hilflos, wenn man von der Sprache beherrscht ist, wie sie benutzt wird, Alltagssprache. ... Man muss sich davon befreien. Das muss nicht eine Fremdsprache sein, es kann auch Musik sein. Ich meine nicht, dass die Menschen die Sprache beherrschen, als Macht. Es muss ein unabhängiges Verhältnis zur Sprache sein. Ein Freiraum, eine Distanz zwischen mir und der Sprache. Ich möchte sie nicht als Werkzeug benutzen, ich möchte, dass Sprache ihr eigenes Leben hat."
Yōko Tawadas Sprache hat ein eigenes Leben und immer, wenn ich einen ihrer Texte lese, fühle ich mich neu belebt. Belebt von ihren Worten/Bildern und von ihren Geschichten. Märchenhaft zaubert sie eine Welt, die so nicht existiert und die es doch genau so gibt.
Was mich fasziniert an dieser Autorin ist das unbefangene Zugehen auf Unbekanntes. Sie lässt sich darauf ein, auch wenn es beängstigend ist. Angst gehört für sie ganz selbstverständlich dazu. Sie nimmt die eigenen Spuren wahr und folgt fremden . Sie nimmt mich in ihren Werken mit auf eine Reise in unbekannt Vertrautes.